Friedens- statt Kriegspolitik im Irankonflikt
Sanktionen und Kriegsdrohungen sofort beenden
Eine Erklärung aus der
Friedensbewegung und der Friedensforschung
Der Konflikt
mit Iran spitzt sich gefährlich zu. Das vom Westen geplante Ölembargo
und der Boykott der iranischen Zentralbank sind gefährliche
Interventionen. Schon einmal verhängten Großbritannien und USA in
den 1950er Jahren ein Ölembargo gegen Iran, das zum Sturz der demokratisch
gewählten Regierung Mossadegh führte. Die heute eingeleiteten Öl- und
Finanzembargos treffen vor allem die Menschen im Iran. Obendrein liefern sie
dem gegenwärtigen Regime die Rechtfertigung, sich mit Hinweis auf die
historische Parallele als Opfer westlicher Aggression und als legitime Verteidiger
und Beschützer der Unabhängigkeit des Iran, eines für alle Iraner
vorrangigen politischen Ziels, darzustellen. Die militaristischen
Strömungen in der Islamischen Republik fühlen sich so geradezu
legitimiert, mit der Schließung der Straße von Hormuz im Persischen
Golf zu drohen. Die Sanktionseskalation ist auf dem besten Wege, in einen Krieg
einzumünden. Er würde nicht nur für die Menschen im Iran katastrophale Folgen
haben, sondern auch die gesamte Region auf weitere Jahrzehnte destabilisieren.
Das iranische
Volk will – alle Indizien sprechen dafür - weder einen Krieg noch iranische
Atombomben. Es wehrt sich allerdings gegen jede militärische Bedrohung von
außen. Israels Atomarsenal und die militärische Einkreisung Irans
durch die USA, die inzwischen in nahezu allen seinen Nachbarländern
Militärbasen errichtet haben, sind wichtige Ursachen für die
Rüstungsanstrengungen Irans. Mit der Tolerierung von Israels Atomwaffenarsenal
bei gleichzeitiger Bekämpfung des iranischen Atomprogramms tragen USA und
EU die Hauptverantwortung dafür, dass kaum ein Oppositionspolitiker im Iran es
wagt, die Atompolitik der Islamischen Republik in Frage zu stellen.
Auch in
Deutschland und Europa fühlen wir uns mit der zunehmenden Gefahr eines Krieges
konfrontiert, der schwerwiegende Folgen für Europa und die Welt haben würde.
Wer das Ziel verfolgt, die Islamische Republik durch Intervention von
außen zu beseitigen, wird realistische Lösungen für den Atomkonflikt
ignorieren. Wir warnen deshalb davor, dass maßgebliche Kräfte in den
USA und ihre exiliranischen Mitläufer den Atomkonflikt für einen Regime
Change zu instrumentalisieren suchen Die Behauptung, die Nuklearmacht Iran
könne nur durch Krieg verhindert werden, ist irreführend. Wir lehnen sie
daher entschieden ab.
Wir fordern den
Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama auf:
Stoppen Sie die
Embargos gegen iranisches Öl und die iranische Zentralbank. Verhindern
Sie, dass der bevorstehende Präsidentschaftswahlkampf die US-Regierung und
Israel in einen Krieg mit unvorhersehbaren Folgen stürzt. Bieten Sie Iran als
Gegenleistung für das kontrollierte Beschränken des Nuklearprogramms
entsprechend den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages einen gegenseitigen
Nichtangriffspakt, möglichst gemeinsam mit Israel, an.
Von der deutschen
Bundeskanzlerin fordern wir:
Schließen
Sie jede Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Iran öffentlich aus
und stoppen Sie die riskante Sanktionseskalation. Unterstützen Sie
möglichst zusammen mit anderen europäischen Regierungen die von der
UNO beschlossene Konferenz für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im
Mittleren und Nahen Osten, die 2012 beginnen soll und die bisher in der
Öffentlichkeit ignoriert wird. Dabei verspricht dieses Vorhaben, das durch
eine KSZE-ähnliche Konferenz ergänzt werden könnte, eine
völlig neue Perspektive des Friedens und der Kooperation für die gesamte
Region. Nur eine Politik, die alle Staaten der Region, Israel eingeschlossen,
zur atomaren Abrüstung und Enthaltsamkeit verpflichtet, kann das gegenseitige
Misstrauen beseitigen und den Feindbildern zwischen den Religionen,
Völkern und Staaten, sowie dem Wettrüsten und den Diktaturen den Boden
entziehen.
Wir bitten die
UNO, die geplante Konferenz möglichst bald einzuberufen, selbst wenn sie
zunächst von Israel oder Iran boykottiert werden sollte. Auf Dauer wird
sich niemand in der Region dieser Perspektive verschließen können,
ohne seine Glaubwürdigkeit und Legitimation zu verlieren. Über den
aktuellen Atomkonflikt hinaus wüchse mit einer ständigen Konferenz für Sicherheit
und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) die Hoffnung, dass ein
neuer friedenspolitischer Rahmen zur Lösung anderer aktueller Konflikte,
insbesondere des Nahostkonflikts, entstehen könnte.
Auf Einladung
von Andreas Buro, Christoph Krämer und Mohssen Massarrat unterstützen
diese Erklärung
Franz Alt, Elmar Altvater, Johannes M. Becker, Hanne-Margret Birckenbach,
Reiner Braun, Daniela Dahn, Hans-Peter Dürr, Theodor Ebert, Iring Fetscher, Ute
Finkh, Johan Galtung, Ulrich Gottstein, Peter Grottian , Matthias Jochheim,
Heiko Kauffmann, Karlheinz Koppe, Ekkehart Krippendorff, Wiltrud
Roesch-Metzler, Christine Morgenroth, Wolf-Dieter Narr, Oskar Negt, Bahman
Nirumand, Norman Paech, Clemens Ronnefeldt, Werner Ruf, Christine Schweitzer,
Eva Senghaas-Knobloch, Hans-Christof von Sponeck, Eckart Spoo, Otmar
Steinbicker, Mani Stenner, Peter Strutynski, Helga Tempel, Konrad Tempel,
Christian Wellmer, Herbert Wulf,
Kontakt und v. i. S. d. P.:
Andreas Buro (andreas.buro@gmx.de);
Christoph Kraemer (kraemer.ak-sn@ippnw.de);
Mohssen Massarat (mohssen.massarrat@uos.de)